Kurator: Alfons Hug
Nachdem Berlin im 20. Jahrhundert mehrfach Schauplatz dramatischer Ereignisse war, die der Stadt tiefe Wunden geschlagen haben – zwei Weltkriege, Kalter Krieg, Teilung in 2 Hälften – hat sich die deutsche Hauptstadt seit dem Fall der Mauer wie ein Phoenix aus der Asche erhoben. Was in den 90er Jahren ein improvisiertes Leben in ungeklärten Besitzverhältnissen war, hat sich inzwischen zu einem Zeitgeist verdichtet, der weit über Mitteleuropa hinaus tonangebend wurde und magnetisch Künstler aus aller Welt anzieht.

Dabei hat es dem Ruf der Stadt nicht geschadet, dass sie verglichen mit New York, London und Paris gelegentlich etwas provinziell wirkt. Dafür ist sie aber auch weniger anfällig für die Dominanz des Kunstmarkts und die Exzesse der Spekulation, obwohl auch in Berlin seit einigen Jahren die ersten Anzeichen von Gentrifizierung zu beobachten sind.

Dass die im Vergleich zu anderen Metropolen immer noch relativ günstigen Lebenshaltungskosten den Zuzug der Künstler und anderer Kreativer begünstigt haben, ist ein offenes Geheimnis.

„Arm aber sexy“ sei Berlin, so ein treffendes Bonmot, das dem ehemaligen Bürgermeister der Stadt zugeschrieben wird.

Vorteilhaft hat sich außerdem ausgewirkt, dass die durch den Kalten Krieg provozierte De-Industrialisierung vor allem im östlichen Teil der Stadt erschwingliche Atelierräume im Überfluss entstehen ließ.

Selbst der raue Umgangston und die sprichwörtliche schlechte Laune der Berliner scheint die neue Boheme nicht abzuschrecken, die in der Stadt tabufrei arbeiten und ein sympathisches Understatement pflegen kann.

Die Abwesenheit eines kulturellen „Hofs“, der mit seinen Etiketten und ungeschriebenen Gesetzen in manch anderer europäischen Hauptstadt das künstlerische Schaffen lähmt, wirkt sich ebenso positiv aus, wie der fehlende Nationalismus. So nimmt es kein Wunder, dass in der Überblicksschau „Based in Berlin“ (2010) mehr als die Hälfte der teilnehmenden Künstler Ausländer waren, die in Berlin leben.

Auch das cross over zu anderen Disziplinen wie der Philosophie, Literatur, Soziologie, zur zeitgenössischen Musik, zum Theater und Film bis hin zur Club- und Subkultur befruchtet die Kunstszene.

Der zweite Weltkrieg und der Wiederaufbau haben aus der Stadt einen Flickenteppich voller Fragmente gemacht, der hin und hergerissen ist zwischen dem Fluch der Erinnerung und dem Vortasten ins 21. Jahrhundert. Berlin beherbergt so viel Geschichte und so viele gescheiterte Utopien, dass es als die postmoderne Stadt schlechthin gelten darf. Gleichzeitig schickt sich Berlin an, wieder zu einer Drehscheibe zwischen Ost und West zu werden und die zentrale Position in der Mitte Europas auszufüllen, die die deutsche Hauptstadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts schon einmal innegehabt hatte.

Die Ausstellung „Zeitgeist“ im Centro Cultural Banco do Brasil stellt die derzeit kreativste und aufregendste Kunstszene Europas vor mit 22 Künstlern, darunter einige der wichtigsten Namen der Gegenwartskunst.

Alle Genres sind vertreten, von der Malerei, die in Berlin seit dem Expressionismus auf eine lange Tradition zurückblicken kann, über die Fotografie, Videokunst und Performance bis zu Installationen. Mehrere Werke werden site specific fürs CCBB vor Ort entwickelt.

Auch die weltberühmte Berliner Clubszene, denken wir nur an den Technoclub Berghain, wird vorgestellt werden.

Kapitel der Ausstellung:

1) Fließende und stehende Zeit
2) Die Ruine als ästhetische Kategorie
3) Ewiger Auf- und Abbau
4) Leere und Provisorium
5) Grausamer Hedonismus
6) Neue Landkarten und die anderen Modernen

Künstlerliste:

Franz Ackermann, Norbert Bisky, Julius von Bismarck, Mark Brandenburg, Marcel Dettmann, Martin Eberle, Thomas Florschütz, Mark Formanek, Cyprien Gaillard, Christian Jankowski, Sergej Jensen, Kitty Kraus, Marcellvs L, Sven Marquardt, Friederike von Rauch, Thomas Rentmeister, Reynold Reynolds, Julian Rosefeldt, Thomas Scheibitz, Frank Thiel, Michael Wesely, Tobias Zielony